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Zum Tod von David Bowie

Zum Tod von David Bowie

Eigentlich sollte mein Text eine Review zu David Bowies neuem Album „Blackstar“ werden, nun wird es ein Abschiedsbrief. Am Morgen des 11. Januar wache ich auf und schaue auf mein Handy. Auf dem Display Nachrichten: „David Bowie ist tot“. Ich kann es nicht fassen und wühle mich durch die sozialen Netzwerke auf der Suche danach, dass es sich um eine Fehlinformation handelt. Aber nein, überall steht es: David Bowie ist tot. Mir schießen die Tränen in die Augen, ich bin fassungslos. Wie kann das sein, er hatte doch erst vor drei Tagen Geburtstag und gerade sein neues Album „Blackstar“ veröffentlicht. Mittlerweile kann ich mir den Gedanken nicht verwehren, dass er am liebsten auch noch an diesem Tag gestorben wäre. Das hätte zu ihm gepasst. Als letzte Inszenierung seines ganz großen Lebens, das immer eine Art Theater war.

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Dabei hatte ich schon beim ersten Reinhören in das neue Album das Gefühl, es klinge irgendwie verstörend, es machte mich befangen. Ich kann es nicht hören, wenn viele Menschen um mich sind. Ich muss für mich sein, mit meinen Kopfhörern, am besten alleine. Irgendwann verliert man beim Hören das Gefühl für den Raum. An manchen Stellen so wunderbar sanft und dann wieder zerstörend, fast quälend. Manchmal fühlt es sich an, als würde etwas zusammenbrechen, um sich dann wieder neu zusammensetzen. Songs wie „Blackstar“ klingen zum Teil unheilvoll, nun ahnt man warum. Auf „Tis A Pity She Was A Whore“ hört man Bowie am Anfang schwer atmen und dann dieses Saxophon, kaum erträglich aber immer wieder aufgefangen von seiner wunderbaren Stimme. Die Stimme, die ich auch ohne Musik gerne höre, so betörend, mit diesem Britischen Akzent, den er auch nach seinem Umzug nach New York nie ganz verloren hat. Und dann kommt „Lazarus“, ich schaue mir das Video dazu an. Bowie liegt mit verbundenen Augen, die nur durch Knöpfe angedeutet sind, auf einem Krankenhaus ähnlichen Bett. Dabei singt er „Look Up Here I’m In Heaven, I’ve Got Scars That Can’t Be Seen“. Er sieht zerbrechlich aus, sein Körper erhebt sich schwebend im Bett. Ich kann das Video nicht fertig anschauen, es wühlt mich zu sehr auf. Ich erwische mich bei dem Gedanken: „hoffentlich stirbt er nicht, das wirkt wie eine Todesankündigung“. Leider hat sich dieses Gefühl zwei Tage später bestätigt.

 

„Tomorrow belongs to those who can hear it coming.“ (David Bowie)

 

Auch den Text von „Dollar Days“ hört man drei Tage nach der Veröffentlichung ganz anders. Jetzt ist es klar, „Blackstar“ ist ein Abschied und zwar in jeder Hinsicht ein ganz großer. Er hinterlässt uns einen schwarzen Stern, während er selbst irgendwo da oben in dem viel besungenen Universum funkeln wird. Seit mindestens 18 Monaten wusste er von seiner Krankheit und hinterlässt zum Schluss noch so ein Werk, den Tod in ein weiteres Stück Bowie Kunst verpackt, das zeugt von ganz großem Mut. Es sieht ihm ähnlich, dass er die Welt mal wieder überrascht hat, auch wenn er sie dieses Mal bestürzt zurück lässt.

Ich werde David Bowie für immer in meinem Herzen Tragen, er hat mich mindestens zwei Drittel meines Lebens begleitet. Ich habe ihn angefangen zu hören, da war ich noch so jung, dass ich die Musik nicht richtig verstanden habe, aber meine Freunde haben Bowie gehört. Erst etwas später wurde mir das wahre Ausmaß von Bowies Musik bewusst, vorher war ich nur Mitläufer, dann wurde ich Fan. Wir haben Christiane F geschaut und wollten nach Berlin, die Stadt, in der ich jetzt lebe. Mit meinem besten Freund bin ich zu vielen Bowie Konzerten gegangen. Bis nach Frankreich, weil wir es cool fanden, ihn in einer Stadt zu hören, die meinen Nachnamen trägt. Dort habe ich auch endlich den Deutschen Text von „Heroes“ verstanden. Bis dahin habe ich immer lauthals mitgesungen: „so wie der Finger, der Finger im Meer“. Natürlich konnte das nicht richtig sein aber was soll‘s!? Bekifft und die Füße barfuß aus dem Auto hängend wurde mir schlagartig klar, dass er von Delphinen singt. Was für eine Offenbarung! Dann das absolute Konzert-Highlight am 05.11.2003 in der Max Schmeling Halle. Unfassbare 3 Stunden hat er gespielt. Immer wieder hat er Witze gemacht, ob auch alle genug Zeit mitgebracht hätten, die Türen der Hallen wären verschlossen. Ich werde nie vergessen, wie er mit seinen ausgestreckten Armen und dem Rücken zum Publikum in dem legendären Union-Jack Mantel da stand, ein Bild für die Ewigkeit.

David Bowie mit Arcade Fire live auf der Bühne zu sehen, das wäre mein ganz großer Traum gewesen. Die Band, die mir so sehr am Herzen liegt und die David Bowie von Beginn an als Mentor unterstützt hat. Ich weiß noch wie „Reflektor“ raus kam und ich jedem erzählt habe, beim Titelsong höre ich Bowie im Hintergrund. Mir hat keiner so richtig geglaubt, bis es dann offiziell raus kam. Und dann das Konzert von Arcade Fire in der Wuhlheide. Nach dem Konzert kommt Win Butler noch einmal raus, er legt auf. Bei „Rebel Rebel“ juchze ich so laut los, dass er grinsen muss, wir tanzen glückselig vor der Bühne. Und es wird uns ewig diese Musik zurück bleiben, die uns berührt, zu der wir tanzen, lachen und weinen werden.

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Ich verneige mich zu tiefst vor Dir und werde Dich immer verehren.

Gute Reise, Major Tom.

Original Text erschienen aus FastForward Magazine (10. Januar 2016)

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