Charlie Cunningham sagte neulich in einem Interview: „Auf jede Reaktion folgt eine Gegenreaktion.“ Es ging darum, inwieweit die aktuelle politische Situation in England die Musik beeinflusst.
Kaum ein Künstler oder Musiker kann sich frei machen von dem, was gerade weltweit politisch passiert. Es brodelt überall, angeführt durch den Irrsinn in den USA. Die Frage ist, wie stark beeinflusst dies das musikalische Schaffen!? Ist nicht ein Musiker per se dazu verpflichtet Stellung zu beziehen, weil er eine Plattform hat, quasi eine Stimme, die gehört wird? Oder sollte die Musik in solchen Situation nicht vielleicht gerade ihre Leichtigkeit und Unschuld behalten, um uns eine Verschnaufpause zu gönnen, uns abzulenken und einfach nur zu unterhalten? Es gibt nicht den goldenen Weg, kein richtig oder falsch. Viele Musiker sind momentan noch unsicher, ob sie Stellung beziehen und wie. Dass die momentane Situation aber so oder so Einfluss haben wird, da sind sich die meisten einig. Denn zumindest wenn die Musik authentisch ist und aus dem Herzen kommt, hat sie meist etwas mit dem realen Leben zu tun. So wird zumindest indirekt eine Verarbeitung der Situation stattfinden, auch wenn nicht klar Stellung bezogen wird. Es gibt Musiker, die halten sich nicht für glaubwürdig, was politische Aussagen angeht, auch das ist legitim. Ein schmaler Musikalischer Grad, auf dem so mancher gerade so wandert.
Protestsongs haben eine lange Tradition. So sagt Wikipedia: „Ein Protestlied oder auch Protestsong ist ein Lied, das sich gegen eine Autorität richtet und meist soziale oder politische Missstände thematisiert.“ Viele Künstler wie Bob Dylan und Joan Baez sind mit ihren Songs in die Geschichte eingegangen. Genres wie Folkmusik und Punk wurden stark durch den Protest geprägt. In den 60er, 70er und 80er hatte das politische Lied Hochkultur, danach hat der Hip Hop noch mit kritischen Themen aufbegehrt. An sich wurde die Musik gefühlt immer seltener als kritisches Medium heran gezogen. Es gab scheinbar immer weniger Themen, an denen man sich reiben konnte und wollte. Es gibt Bands, die schon immer als sehr kritisch galten und bei denen ein musikalisches Aufbegehren gegen die aktuelle politische Situation ja geradezu erwartet wird.
Dazu gehören Arcade Fire, die immer wieder zu brisanten Themen Stellung beziehen. Mit „I Give You Power“ haben sie zur amerikanischen Präsidentschaftsvereidigung einen eindringlichen Song mit einer eindeutigen Warnung veröffentlicht. Fast Mantra artig singt Win Butler zusammen mit Soul Legende Mavis Staples : I give you the power over me, I can take it away. Die Macht vom Volk gegeben und vom Volk genommen. Das „Watch Me“ am Ende klingt wie eine bedrohliche Herausforderung an jeden Machthaber dieser Welt. Unterschätzt nicht das Volk.
Der Aufruf der Band dazu über die Sozialen Medien, dass es nie wichtiger war wie heute aufeinander acht zu geben und füreinander da zu sein.
Auch Father John Misty ist bekannt dafür, dass er sich immer wieder -nicht nur in seinen Songs- zu aktuellen Themen äußert. Bei seinem neuen Song „Pure Comedy“ lässt nur der Titel Humor vermuten, tatsächlich trieft der Song nur vor Sarkasmus und ist eigentlich eher eine tragische Komödie über die Menschheit.
Weniger erwartet man von Depeche Mode, dass sie zu aktuellen Themen Stellung beziehen. Aber auch die Briten lässt die Lage der Nation nicht kalt. So ist die erste Single zu ihrem neuen Album ein Aufruf zur Revolution: „Where‘s The Revolutions Who’s making your decisions, you or your religion, your government, your countries, you patriotic junkies – Where’s the revolution?“
Diese Revolution scheint sich schon langsam auf den Weg zu machen. Überall versammeln sich Menschen, um lautstark ihren Missmut zu äußern, Petitionen werden mit ungeahntem Zuspruch unterschrieben, es finden bereits massive Gegenbewegungen statt.
Brian Eno, einer der bekanntesten britischen Musikproduzenten, hat in einem Statement die momentane politische Lage sogar begrüßt. Nicht das was passiert aber das was es auslöst. Jahrelang haben sich die Menschen in ihrer Comfort-Zone wohl gefühlt, es war ja alles irgendwie ganz OK. Eine Ich-Bezogenheit hat sich allseits breit gemacht, die in eine lähmende Lethargie gemündet hat, man ist bequem geworden. Und nun werden alle wach gerüttelt. Der Begriff Demokratie wird neu überdacht. Was ist eigentlich die Bedeutung von Gesellschaft und was kann jeder Einzelne tun? Aufstehen, aus der Lethargie erwachen und Stellung beziehen. Eno sieht dies als einen längst fälligen Call to Action. Leider muss es erst weh tun, bevor etwas passiert.
Man kann es aber auch im Gegensatz machen wie die Flaming Lips. Die sind bekannt dafür, dass ihre Konzerte wie Kindergeburtstag für Erwachsene sind. Da wird schon in der ersten Sekunde Konfetti raus geballert was das Zeug hält und überdimensionale Luftballons werden von den Fans durch die Gegend geschubst. Höhepunkt ist dann mitunter Sänger Wayne Coyne, der auf einem rosa Plastikeinhorn durch die Menge reitet und dabei Glitter auf die Fans wirft. Bunter und unbeschwerter geht es kaum. Aber auch das ist ein ganz bewusstes Statement der Band. Sie wollen, dass die Fans einfach nur Happy sind, strahlende Gesichter, einfach mal alles vergessen und sich ausgelassen der Musik hin geben. Ist nicht auch das extrem politisch? Weil es Menschen vereint, weil Liebe statt Hass gesät wird, weil die Welt doch eigentlich ein bunter Regenbogen ist, so wie er über die komplette Bühne aufgespannt wird? Wir müssen einfach nur manchmal wieder daran erinnert werden und wir müssen wieder in der Lage sein, an das Gute zu glauben.
So finden viele Bands ihren eigenen Weg Protest zu zeigen, dass sie nicht einverstanden sind, wie Macht missbraucht wird, wie Menschen gegenseitig aufgehetzt werden. Es wird spannend zu beobachten, ob es eine neue Form des Protestsongs geben wird. Wir werden sicherlich noch viel hören, was uns zum Nachdenken bringt oder aber auch nur einfach mal ein paar Minuten vom Nachdenken ablenkt.
Join me on my Rock ’n Roll journey,
Kate Rock
Foto (wake Up): Sean P. Anderson
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