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Reiseroute des Herzens: über Indien zu mir

Reiseroute des Herzens: über Indien zu mir

Manchmal muss ich raus aus dem Alltag. Raus aus der Routine und den Kopf frei bekommen. Mein Lieblingsmensch jammert wegen akuter Vernachlässigung und zeigt mir im Spiegel nur noch ein müdes Lächeln. Was für mich tun setze ich nach ganz oben auf meine persönliche Agenda. Ayurveda ist dafür perfekt, einmal den Körper voll auf links drehen lassen, irgendwo ganz weit weg. Also am besten gleich nach Indien oder Sri Lanka den Mekkas des Ayurveda, daher ist der Kreis der möglichen Reiseländer schnell eingegrenzt. Die Recherche zeigt, es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, mein innerer Kompass hat bei einem Resort in Kerala voll ausgeschlagen. Indien für Einsteiger nennen erfahrene Freunde diese Gegend, also perfekt für einen Rourke wie mich. Der Weg zu mir braucht Zeit, daher plane ich dafür direkt mal drei Wochen ein.

Nach dem Buchen kommt die Vorfreude, ein nicht zu unterschätzender Erholungsbestandteil, denn ab jetzt werden bei jedem Gedanken an den Urlaub Endorphine frei gesetzt. Einen weiteren positiven Effekt hat das sommerliche Kofferpacken im Winter. Dann geht es endlich los, auf nach Indien! Bewaffnet mit Thrombosestrümpfen und Anti-Jet-Leg-Pillen steige ich in den Flieger und erst nach gefühlt einem Tag bin ich endlich angekommen. Erholung muss man sich verdienen. Das erste freundliche Gesicht in der anderen Welt ist der Fahrer des Resorts, der eine Stunde lang meinen Adrenalin-Spiegel durch die Straßen jagt. Ich habe ja schon viel vom indischen Straßenverkehr gehört, aber erst wenn du leibhaftig drin steckst, fürchtest du auch leibhaftig um dein Leben. Ich habe die Wahl zwischen buddhistischer  Gelassenheit und dem Ur-Vertrauen zum Fahrer, der schon weiß, was er tut und sekündlichen Nervenzusammenbrüchen. Ich entscheide mich wegen völliger Übermüdung für ersteres und schließe die Augen, um die waghalsigen Überholmanöver und Spurwechsel von Autos, Tuck Tucks, Mofas und Fahrrädern auszublenden. Ich atme tiiiiief ein und auuuuus, in der Hoffnung, dass es nicht mein letzter Atemzug war.

Ankommen

Endlich stehe ich vor dem Tor mit der Aufschrift „Erandi Marari“ –  die Tür zum Paradies. Völlig erschöpft bekomme ich eine frische Kokosnuss und einen Blumenkranz – sehr wahrscheinlich eine Art Wiedergutmachung meiner Gastgeber für die halsbrecherische Fahrt. Dann begegne ich zum ersten Mal meinem neuen Zuhause: ein Bungalow direkt am Strand, nur ein paar Schritte vom Meer entfernt, endlich angekommen.

Auspacken, Akklimatisieren, das Resort erkunden. Der Strand vor meiner Haustür wurde teilweise vom letzten Monsun davon getragen. Also ist das Meer direkt noch ein paar Meter näher an die Unterkunft gerückt. Wie sich nachts herausstellt, so nah, dass die Wellen wahnsinnig laut sind und man eher das Gefühl hat mitten auf dem Meer zu sein als nur kurz davor. Überfordert von so viel Naturgewalt stopfe ich mir die ersten Nächste erst mal Ohrstöpsel in die Ohren. Wie sich raus stellt eine gute Idee, denn auch der Hahn vom Nachbargrundstück ist morgens um fünf eine Herausforderung für einen Großstadtmenschen wie mich. Das Resort ist übersichtlich und kuschelt sich gemütlich in den kleinen Strandabschnitt. Die 6 Bungalows sind eine Mischung aus westlicher Architektur und indischer Tradition und passen sich trotz moderner, klarer Linien harmonisch in die Umgebung ein. Highlight eines jeden Zimmers ist das Open Air Bad mit Freiluft- Dusche, Wunderbar! Mein erster Rundgang durch die Anlage lässt mich befürchten, dass man sich hier schnell mal auf den Geist gehen kann. Wohin soll ich flüchten, wenn mich andere Gäste nerven? Diese Stresser-Hysterie stellt sich zum Glück als Überbleibsel aus meinem vollgepackten Alltag heraus, denn hier geht einem niemand auf den Geist und unangenehme Gäste gibt es auch nicht. Negative Gefühle lösen sich wie durch Zauberhand auf. Auch die Befürchtung, dass es innerhalb von drei Wochen in diesem übersichtlichen Areal langweilig werden könnte, trifft nicht zu. Es stellt sich heraus, dass die sanfte Hand, die meinen neuen Alltag organisiert, genau weiß, was sie tut: Essen, Anwendungen, Nichtstun und zum sportlichen Ausgleich Yoga. Ich lasse mich auf eine wunderbare Wolke fallen und lerne ganz nebenher, dass ich das Nichtstun fast verlernt hatte. Welcome back!

Mein erster Termin bei der Ayurveda Ärztin ist eine Begegnung der besonderen Art. Jetzt wird es ernst. Eingewickelt in ein orangenes Tuch, die Einheitskleidung der Gäste, betrete ich den Ayurveda Bereich. Auf dem Holzschild am Eingang steht „Leave Your World Behind“. Ich ahne bereits, dass mich dieses Motto für die nächsten drei Wochen leiten wird. Ein intensiver Check-Up verrät mir schließlich meine Doshas. Ziemliches Ungleichgewicht ist die Diagnose, aber dafür bin ich ja hier. Das Blutdruckmessgerät scheint aus einer anderen Epoche zu stammen, aber in diese andere Welt passt es perfekt. Die Zeit läuft hier eben anders.

Die Entspannung beginnt

Mit neuer Erkenntnis über meinen Körper und fasziniert von der wunderbaren Ausstrahlung der Ayurveda Ärztin Dr. Molly ziehe ich von dannen. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen auf die Behandlungen, die Medizin und das Essen, die alles wieder ins Gleichgewicht bringen sollen. Jeder hier bekommt sein maßgeschneidertes Programm, jeder ist ja schließlich auch ein bisschen anders aus der Balance. Das Essen am Abend, direkt am Wasser im offenen Restaurant, ist ein Highlight. Unglaublich, wie lecker Reis und Gemüse schmecken können. Ich bekomme drei unterschiedliche Töpfchen, jeden Tag sind es wieder andere Köstlichkeiten, die sich darin verbergen. Täglich überrascht mich ein anderer Duft nach betörenden Gewürzen, die mir den Gaumen kitzelen. Weniger lecker ist die hausgebraute Medizin, die die allabendlich in meinem Zimmer auf mich wartet als wäre sie ein Betthupferl. Dabei gilt hier das Motto „Augen zu und durch“, oder wie meine Oma immer sagte: „Egal, wenn’s schön macht…“.

Die täglichen Behandlungen sind eine Offenbarung. Jeden Tag nehmen mich meine zwei Therapeutinnen an die Hand und führen mich in einen nach Räucherstäbchen duftenden Raum. Mit vier Händen auf Kopf und Schultern beginnt das Ritual mit einem hinduistischen Gebet. Unter den einfühlsamen Händen der liebenswürdigen Mädels lasse ich erst locker und dann los – Freifahrt ins Entspannungsnirvana! Diese unfassbare Entspannung ist ein Zustand, an den ich mich dauerhaft gewöhnen könnte. Tatsächlich fühle ich mich jeden Tag ein bisschen fitter und energetischer, irgendwie runderneuert. Die zerknüllte Frau im Spiegel sieht plötzlich anders aus. Hey… an dich kann ich mich gewöhnen, ich mag dich!

Transformation

Die schmetterlingsartige Transformation lässt sich auch bei den anderen Gästen beobachten. Spätestens ab dem dritten Tag sieht man das Aufblühen. Dazu trägt auch die Freundlichkeit der  Menschen im Resort bei. Jeder, wirklich jeder, begegnet mir mit einem Lächeln. Selbst der Security Guard steht jeden Morgen breit grinsend vor mir, sobald ich einen Blick nach draußen werfe. Lustiger weise immer mit einem salutierenden Gruß, ein Überbleibsel aus seiner Vergangenheit in der Armee. Irgendwann werde ich selbst zu einem dauerlächelnden Wesen, so milde kenne ich mich gar nicht, total Ommm… Als wäre das nicht schon kitschig genug, schwimmen auch noch Delphine vorbei, fast jeden Tag, als würden sie schauen wollen, was da am Strand für zauberhafte Dinge passieren. Vielleicht geht es hier gar nicht anders als positiv, vielleicht liegt das Geheimnis in der Sprache Sanskrit verborgen. Es ist die einzige Sprache der Welt, in der es kein  negatives Wort gibt. Wäre die Welt ein besserer Ort, wenn mehr Menschen Sanskrit sprechen würden? Soll ich eine Revolution anzetteln und Sanskrit zur Weltsprache erheben?

Ab und zu schleicht sich dann doch mal ein negativer Gedanke ein? Sobald das so ist, steht sofort Dr. Molly auf dem Plan und zeigt mir, wie das mit dem positiven Denken geht. Als ich ihr kurz vor meiner Abreise sage, dass ich  traurig bin, weil ich bald gehen muss, dreht sie meine Gedanken um. Sei nicht traurig darüber, was du bald nicht mehr hast, sei glücklich darüber, was du erleben durftest. Recht hat sie! Emotionaler Neustart. Voller Ausschlag in Richtung positives Denken. Klingt zwar ziemlcih kitschig aber so lebt es sich einfach ein bisschen besser.

Ein weiterer Baustein zu meiner Entspannung und zu meinem Amüsement ist Shine, der Yoga Lehrer. Ich brauche erst mal ein bisschen, bis ich das Indisch-Englisch dechiffriere und die Übungen so ausführe wie gewünscht.  „Leb leg bäääääg“ wird das geflügelte Wort des Urlaubs. Ich werde nie wieder mein linkes Bein zurück setzen können, ohne diese Worte im Ohr zu haben. Unerbittlich ist Shine, er nimmt seinen Job ernst, sehr ernst. Am Morgen des dritten Tages regnet es dermaßen heftig, dass ich kurz vor sieben belschieß Yoga, Yoga sein zu lassen, um von meinem Bett aus dem Regen zuzuhören. Diese Rechnung habe ich allerdings ohne meinen Yoga Meister gemacht. Es klopft vehement an der Tür: „Hello, hello where are you, it’s Yoga Time“. Schlafend stellen hilft mir leider nicht. Es rüttelt und ruft, bis ich mich ergebe. Wir werden schließlich beide belohnt. Für mich ist das sowas wie ein Wunder, Shine nickt nur wissend: nach ein paar Tagen schaffe ich tatsächlich den Kopfstand. Noch mal ein paar Tage später kann ich mich für ein paar kurze Sekunden in der Krähe halten. Hätte mir das jemand prophezeit, ich hätte müde gelacht. Jetzt bin ich stolz wie Bolle. Weniger gut klappt es allerdings abends mit der Meditation. „Calm your mind, tame the monkey“. Ich soll den Affen, meine Gedanken, zähmen. Mein Affe macht allerdings was er will, ich denke an Gott und die Welt, nur nicht an nichts.

Abschied

Die drei Wochen vergehen wie im Flug. Ich möchte mich auf die Zeiger werfen, damit die Zeit stehen bleibt. Aber der Affe und ich verstehen, dass nicht alles so läuft, wie wir wollen. Zum krönenden Abschluss verabschiedet mich das komplette Ayurveda Team mit einem Hinduistischen Ritual. Sie singen Lieder und bewerfen mich mit Blüten. Eine Glücksnuss an meinem Handgelenk soll mich ab jetzt auf meinem weiteren Weg beschützen. Ich habe Tränen in den Augen, aber gleichzeitig bin ich aufgeladen, um gerührt und ausgeglichen meine Heimreise anzutreten. Mein Gepäck ist leicht, es besteht aus wundervollen Erinnerungen an einen wundervollen Ort, an tolle Menschen und an eine unvergessliche Zeit. Ich werde wieder kommen, da bin ich mir sicher. So wie die anderen Wiederholungstäter, die ich dort kennen gelernt haben.

Inzwischen ist ein bisschen Zeit vergangen. Das Schreiben lässt mich zurückreisen und ich spüre in mich hinein, um zu überprüfen, was ich wirklich mitgenommen habe. Ja, da ist sie noch, die positive Energie. Sie hält sich tapfer in mir und trotzt allen Widrigkeiten des Alltags, so gut sie kann. Ich bin dankbar für das Neue in mir und dressiere inzwischen den wilden Affen in meinem Kopf. Zusammen passen wir auf uns auf. Namaskara!

Von meinen tollen Ausflügen erzähle ich euch dann das nächste Mal!

Join me on my Rock ’n Roll journey,

Kate Rock

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