Wenn Depeche Mode ein neues Album raus bringen, ist die Aufregung groß. Auch die Erwartungshaltung scheint ins schier unermessliche zu steigen. So auch bei Album Nr 14, „Spirit“. Das Überraschende an dem Albums ist, dass es nichts Überraschendes gibt. Jedenfalls nicht musikalisch. Dominant sind auch dieses Mal die Synthie-Klänge, die auch 2017 so klingen, als würden sie aus dem legendären Yamaha DX7 Keyboard stammen. Ein Synthie Pop-Kultsymbol der 80er. Und natürlich Dave Gahans unverwechselbare Stimme, die ab und zu von Martin L. Gore unterstütz wird. Auch typisch ist die erste Single, „Where’s The Revolution“. Eine eingängige Melodie mit treibendem Rhythmus und Singalong-Garantie. Vergleichsweise düster und eher melancholisch kommen die restlichen Songs der Platte daher. Soweit also alles beim Alten. Was aber aufhorchen lässt, sind die Texte. Ungewohnt politisch und gesellschaftskritisch setzen sich Depeche Mode mit den Abgründen unserer heutigen Zeit und der Gesellschaft auseinander.
Was nun für manchen eher nüchtern klingen mag, ist durchaus eine große Qualität, die nicht viele Bands über so einen langen Zeitraum hin bekommen. Eine Konstanz, die gerade in den heutigen Zeiten, in denen sich alles ständig ändert und unstet ist, ein Gefühl von zu Hause und Vertrauen gibt. So ist es bei Depeche Mode ein bisschen, wie mit einem alten Freund, den man länger nicht gesehen hat. Man trifft sich, es ist sofort wie beim letzten Mal, man hat sich viel zu erzählen, knüpft einfach da an, wo man aufgehört hat. Keine peinliches Schweigen, keine unangenehme Pausen. Einfach nur unendliche Vertrautheit.
Wie es ist, diesen alten Freund zu treffen, durften 800 Fans in ganz intimem Ambiente bei den Street Gigs erleben. Das ist bei einer Band, die sonst nur in ausverkauften Stadien spielt, kurz vor einem Wohnzimmer Konzert. Entsprechend groß war die Aufregung im Vorfeld und das Bemühen, Zugang zu diesem einzigartigen Event im wunderschönen Berliner Funkhaus zu ergattern, um Songs aus dem neuen Album zu hörn. Tickets gab es nur zu gewinnen. Für alle die kein Glück hatten, wurde das Event weltweit per Livestream übertragen.
Nicht nur für die Fans ein ganz besonderes Ereignis. Wie Dave Gahan in einem Interview zuvor gestand, auch für die Band ein ungewöhnliches Erlebnis. Schon lange haben sie nicht mehr in so einem kleinen Rahmen gespielt, so nah am Publikum. Da kann man auch mal als routinierte Band etwas nervös werden. So lag von Anfang an eine prickelnde, gespannte Atmosphäre in der Luft, die allgemeine Aufregung war mehr als spürbar. Und dann war es endlich soweit. Mit den Klängen von „Going Backwards“, einem Song aus dem neuen Album, kam die Band unter lautem Jubel auf die Bühne. Auch auf der Bühne alles wieder vertraut, wie eh und je, nur eben diese Mal alles ein bisschen näher dran. Dave Gahan, in teuflischem schwarz rot gekleidet, wirkte top fit und hat den für ihn so typischen stolzen Gang mit gekonnt eingesetztem Hüftschwung nicht verlernt. Andrew Fletcher, der mit cooler Sonnenbrille ab und zu mal in die Keyboardtasten greift aber ansonsten lieber mitklatscht und Martin L. Gore, der immer noch aussieht wie sein jüngerer Bruder. Die neuen Songs hatten es schwer, beim Publikum die gewohnte Euphorie hervorzurufen. Lebt doch eine Band wie Depeche Mode extrem vom Mitmacheffekt und der ist nun mal schwer zu erzeugen, wenn die Platte am selben Tag erst raus gekommen ist. Umso froher schienen die Fans, als dann die vertraute Töne von „A Barrel Of A Gun“ anklangen. Endlich konnte man wieder zeigen, was man als Fan drauf hat. Tanzend die Hände recken und mit Dave um die Wette singen. Und als sich dann alle warmgesungen hatten und von ihrer Schockstarre erwacht waren, die Band wirklich und leibhaftig so nah in einem so kleinen Raum zu sehen, war es dann auch schon vorbei. Enge Freunde, die zum Teil mehr als ein halbes Leben miteinander verbracht haben müssen sich wieder trennen. Keiner wollte so richtig gehen. Stories wurden ausgetauscht, in welch zartem Alter man Depeche Mode zum ersten mal gesehen hat und wie oft. Was bleibt ist die Vorfreude auf die Tour, so ziemlich jeder der Anwesenden schien auch dafür ein Ticket zu haben. Was bleibt ist auch die Erinnerung an ein einzigartiges Event. Best Friends Forever!
Hier kann man das Konzert in voller Länge sehen:
Join me on my Rock ’n Roll journey!
Kate Rock
Der Artikel ist auch erschienen auf FastForward Magazine
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